Und nach der Apotheke: Ab ins Kino!

Klappe für Filmaufnahmen - und Action!
„Und Action!“ Unsere Filmtipps fürs nächste Wochenende. Kino statt putzen.

Die langen, kühlen Abende im Oktober locken zum Kinobesuch. Und zum Filmegucken in Gesellschaft. Ganz gleich, ob man nach Feierabend vor der Leinwand lieber lacht oder weint, etwas über das Leben erfahren oder ganz einfach nur abschalten will: das derzeitige Kinoprogramm bietet für jeden etwas. Wir stellen drei Filme vor, für die sich der Gang ins örtliche Lichtspielhaus (nicht nur) am kommenden Wochenende lohnt.

Unsere drei Favoriten haben einiges gemeinsam: Alle Streifen kommen aus Deutschland. Sie alle erzählen nicht nur eine Geschichte sondern nehmen stets ganz gezielt Menschen und ihre Biographie ins Visier. Und jeder dieser Filme tut dies ebenso spannend wie unterhaltsam – wie es Produktionen hierzulande ja oft tun.

Da kommt noch was

Es braucht erst einen fulminanten Sturz in den Lüftungsschacht ihres Wohnzimmers, damit in das eingefahrene Leben von Helga wieder Bewegung kommt. Die gut situierte Anfangs-Sechzigerin, ist eingenordet in der Rolle der verlassenen Ehefrau. Vor allem ist sie damit beschäftigt, sich über den Ex-Mann zu ärgern, mit ihren bürgerlich-saturierten und zugleich gehässigen Freundinnen Karten zu spielen oder gelangweilt Kulturprogramme abzuspulen. Doch dann kreuzen sich der unfallbedingte Beinbruch und der Urlaub der vertrauten Putzkraft. Und der Pole Ryszard übernimmt die putzende Urlaubsvertretung.

Die Tragikkomödie der Regisseurin Mareille Klein nimmt Fahrt auf: Helga verliebt sich in ihre polnische Putzkraft. Das ist zart und schön gezeigt, doch dürfen wir dem nicht lange zusehen. Denn umgehend wird Helga mit der rassistischen Haltung, den Vorurteilen einer Gesellschaft im Speckgürtel und dem Neid ihrer bornierten Freundinnen konfrontiert. Und wir zittern mit: Die beiden wunderbar sympathischen Figuren (die Theaterschauspielerin Ulrike Willenbacher, für die Süddeutsche Zeitung eine echte, späte Filmentdeckung) und der polnische Schauspielerstar Zbigniew Zamachowski), geraten in die Fänge der gesellschaftlichen Ressentiments.

Fazit: Wer pointierte, witzige Dialoge liebt und sich gerne über das saturierte Bürgertum amüsiert, kommt voll auf seine Kosten. Übrigens: Nach dem Kinobesuch hört sich die heimische Kaffeemaschine auf einmal ganz anders an … Mehr verraten wir nicht.

Igor Levit – No Fear

Man muss kein Klassikfan sein, um ihn zu kennen – und zu mögen: Der Pianist Igor Levit war zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns einer der ersten, der den „eingeschlossenen“ Menschen seine Kunst per streaming darbrachte – beispielsweise auf Instagram. Das verwundert nicht: Der jetzt 35-jährige ist ein Kind des digitalen Zeitalters, das Handy ist bei ihm allgegenwärtig, wie im Film zu sehen ist.

Seine Wohnzimmerkonzerte im Jahr 2020, die an 52 Tagen allabendlich pünktlich um 19 Uhr starteten, gehörten für viele zum täglichen Lockdown-Überlebensritual. Levit spielte, wonach ihm am jeweiligen Tag war – das konnte nur fünf Minuten dauern oder auch eineinhalb Stunden. Dieses Projekt übrigens brachte ihm auch ein Einladung zum Bundespräsidenten – auf ein „Wohnzimmerkonzert“ in dessen Amtssitz, das Schloss Bellevue.

Die Regisseurin Regina Schilling hat den 1987 in Gorki in der Sowjetunion geborenen Starpianisten fast zwei Jahre begleitet. Für eine Dokumentation, deren Richtung die Corona-Pandemie, so ist anzunehmen, gewaltig geändert hat.

Noch zu Beginn des Jahres 2020 blickt Levit fast schon ängstlich auf die vor ihm liegenden 108 zu spielenden Konzerte, offenbart, wie belastet er sich fühlt. Kurz darauf ist alles anders. Die Kunst ruht. Und Levit ebenfalls – doch nicht lange. Dann spielt er allabendlich per Stream. Denn Konzerte zu geben, so betont er im Film, sei für ihn „existenziell“.

Fazit: Ein wunderbarer Film, der dem Künstler Igor Levit – der sich selbst auch als politischer Aktivist bezeichnet – sehr nahe kommt und seine Liebe zur Musik ebenso aufnimmt wie seine ungeheure Sensibilität. Bezaubernd: Die Doku lässt sich viel Zeit, Levit beim Spielen zu zeigen, lässt Raum, seiner Musik zu lauschen – auch aber nicht nur dem vom Pianisten so verehrten Beethoven.

Tausend Zeilen

Was „Fake News“ angeht, hat der ehemalige US-Präsident bekanntlich durchaus Maßstäbe gesetzt. In Deutschland hat bei diesem Thema der ehemalige Spiegel-Reporter Claas Relotius die Nase ziemlich weit vorne. Seine Reportagen für den Spiegel, die ihm nicht nur einen Superjob im Verlagshaus sondern überdies bedeutende Journalistenpreise einbrachten, waren Fake. Dies allerdings stellte sich erst dann heraus, als Juan Moreno, ebenfalls Journalist beim Spiegel, allen misstrauischen Bremsversuchen seiner Chefs entgegen die Fälschungen als solche enttarnen konnte.

Der Weg dahin war mühsam und weit, wie Moreno in seinem Buch „Tausend Zeilen Lüge“ aufgeschrieben hat. Nun hat der Regisseur Bully Herbig (bekannt u. a. durch „Der Schuh des Manitu“) diese Fake-Geschichte verfilmt. Das tat er nicht wirklich eins zu eins, Herbig hat sich schon noch einige Sachen rundum ausgedacht. Doch der rote Faden stimmt und auch das „Personal“ dieser Story, die wie Satire klingt. Geändert wurden die Namen der Protagonisten  (auch die des Spiegels, der im Film zur Chronik wurde).

Zugleich wurden sie super besetzt: Mit dem smarten Elyas M’Barek als zauseligen Reporter mit Arbeitswut und Dackelblick (oh ja, das geht!) oder dem u. a. auch als schrägen Tatort-Dortmund-Kommissar bekannten Jörg Hartmann als einer der Chefredakteure des Chronik.

Fazit: Es macht Spaß, den tollen Akteuren beim Spielen zuzusehen – und beim Erzählen ihrer schier unglaublichen Geschichte. Auch wenn der Film nicht an Helmut Dietls „Schtonk!“ heranreicht, dem Knaller über die gefälschten Hitler-Tagebücher. Und auch wenn der Film nicht mit knallbunten Bully-Herbig-Gags daherkommt sondern eher solide.

Foto: @kangi