Der Patient wird zum Gast, das Personal arbeitet unter besten Bedingungen – und das alles in angenehmer Atmosphäre. Sieht so das Krankenhaus der Zukunft aus? Ja, wenn es um David-Ruben Thies geht. Er denkt radikal, provokativ und doch pragmatisch und zukunftsorientiert. Der Dokumentarfilm „Vier Sterne Plus“ portraitiert diesen Mann – und zeigt, wie sie aussehen kann, die Vier-Sterne-Klinik für jedermann. Auch für Kassenpatienten.
Alle klagen: Menschen auf dem flachen Land klagen über die Schließung ihrer Regionalklinik, die Patienten landauf landab über fehlende Zuwendung und den langweiligen Speiseplan im Krankenhaus. Die Mitarbeiter klagen über weite Wege, lange Dienste und allgemeine Überlastung, die Klinikchefs über mangelndes Personal.
David-Ruben Thies kennt diese Klagen nur zu gut. Als Geschäftsführer eines kommunalen Kreiskrankenhauses in Thüringen weiß er genau, wo die Probleme liegen. Und er weiß auch, dass sich angesichts dessen eine Klinik sehr gut aufstellen muss, um künftig überleben zu können.
Vom Patienten zum Gast
David-Ruben Thies hat nicht nur sehr viel Erfahrung; er ist auch ein gut vernetzter Macher mit viel Kreativität und Mut. Und er hat sich in den Kopf gesetzt, die Quadratur des Kreises zu bewältigen. Das von ihm ertüftelte Klinikkonzept lautet: Die Patienten werden zu Gästen, statt im sterilen Look eines Plattenbaus werden sie im „Luxushotel“ empfangen. Vier Sterne plus eben – auch für Kassenpatienten.
Blauäugig geht Thies die Sache keineswegs an, dazu ist er viel zu sehr Profi. Auch er muss auf die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes achten. Doch ebenso gut wie die Zahlen kennt er die Abläufe in Kliniken. Und er kennt auch deren Knackpunkte – und damit die Stellschrauben, die es zu drehen gilt, um ein so ambitioniertes Vorhaben wie das seine zu stemmen.
Dazu gehört letztlich auch, sich nicht nur detailliert mit Arbeitsorganisation auseinanderzusetzen sondern beispielsweise auch mit Themen wie Baumaterialien oder Inneneinrichtung. Nach der Devise: Schönes muss nicht zwangsläufig teurer sein als „nur“ Zweckmäßiges. Das Ziel des rührigen Geschäftsführers: eine Klinik nach den Standards eines Luxushotels mit mindestens vier Sternen, Bio-Nahrung auf dem Speisezettel und Kaminfeuer für Wohlgefühl und eine rasche Genesung der Patienten. Vier Sterne, auch dies sollte gesagt werden, die keineswegs mit unnötigen Operationen finanziert werden sollen.
Informativ und unterhaltsam
Die Filmemacherin Antje Schneider hat Thies mit ihrem Team begleitet. Daraus ist eine ebenso spannende wie aufschlussreiche Dokumentation entstanden. Zusammen mit ihr sehen wir dem ehrgeizigen Klinikchef dabei zu, wie er (Überzeugungs-)Arbeit leistet, fahren mit ihm auf Kongresse und zu Gesprächen mit Politikern.
Wir sind dabei, wenn er mit Fachkenntnis und Begeisterung nicht nur seinen ärztlichen Leiter von dem Projekt überzeugt sondern auch die Lokalpolitiker. Und wie er letztlich auch einen renommierten Architekten für das Projekt begeistern kann. Zugleich ahnen wir Zuschauer auch, wieviel Kraft es kosten mag, derart für ein Lebensziel zu brennen.
„Vier Sterne Plus“ lief im Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis; im März 2022 stellte ihn Regisseurin Antje Schneider zusammen mit David-Ruben Thies in etlichen deutschen Städten vor. Auf dieser Kinotour diskutierten sie zudem mit prominenten Gästen aus dem Gesundheitswesen. Am 14. April kommt der Film ins Kino.
Unser Fazit
Eine Doku, die letztlich alle Menschen angeht. Ganz besonders interessieren dürfte sie jedoch all jene, die im Gesundheitswesen tätig sind. Denn wer von den jahrelangen Sparkursen im Gesundheitsbereich geprägt ist und von (siehe Apotheken) überbordender Bürokratie, der freut sich ganz besonders darüber, wenn neue Wege aufgezeigt werden – mit Mut, Kreativität und Einsatzfreude.
Foto: @kangi (nach Flyer „Vier Sterne Plus“)