Und nach der Apotheke: Ab ins Kino!

Kinofreunde leben gerade im Paradies: Derzeit gibt es neue Filme zuhauf, denn die Pandemie hat für einen „Filmstau“ gesorgt. Daher gibt es im Moment eine Vielzahl guter Streifen. Wir präsentieren vier Filme, die Sie nicht verpassen sollten.

Der Rausch

Vier Gymnasiallehrer – alle um die vierzig und vom Leben und seinem ewig gleichen Trott ermattet bis enttäuscht – beschließen, sich einem Experiment hinzugeben: Pegeltrinken. Inspiriert dazu hat sie eine – vermeintliche – These des norwegischen Psychiaters Finn Skårderud.

Demnach ist der Mensch mit einem halben Promille Alkoholgehalt zu wenig im Blut geboren. Die Schlussfolgerung: Wer sich 0,5 Promille antrinke und diesen Wert konstant halte, könne damit sein Leben verändern. Wichtig hinzuzufügen: Die Protagonisten sehen das alles als einen streng wissenschaftlichen Versuch und gehen das Ganze mit streng festgelegten Regeln an. Zunächst.

Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg schildert in seiner Tragikomödie die Gratwanderung, auf die sich die vier experimentierfreudigen Pädagogen begeben. Denn zunächst hat es den Anschein, dass das Experiment gelingt. Der ewiggleiche Trott weicht, Leichtigkeit kehrt wieder ein ins Leben. Doch sie währt nicht allzu lange. Wie es dem Alkohol eigen ist, spült er die Probleme der vier aus den Tiefen ihrer Seelen und konfrontiert sie mit ihren Lebensentwürfen, mehr als ihnen lieb ist.

Der wunderbare Mats Mikkelsen spielt einen der vier Experimentierer. Seine Geschichte, die des Lehrers Martin, nimmt der Film ganz besonders in den Blick – ohne den dänischen Filmstar zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Denn seine drei Mitspieler sind ebenfalls allesamt sehenswert.

Unser Fazit: Ein Muss ist „Der Rausch“ nicht nur für alle Mikkelsen-Fans. Vielmehr ist er ein Highlight für jeden, der die ebenso schrägen wie melancholischen und lebensnahen Filme nordischer Länder liebt.

Fabian

So mancher kennt ihn noch aus der Schullektüre: Erich Kästners Roman „Fabian“, entstanden 1931. Wie aktuell das Buch in heutiger Zeit – noch und wieder – ist, zeigt die Verfilmung von Regisseur Dominik Graf. In „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ lässt er seinen Helden zu Beginn der 1930er Jahre durch Berlin treiben, vor allem durch das nächtliche Berlin. Das könnte den Film inhaltlich in die Nähe von Serienerfolgen rücken, die die Geschichte der Hauptstatt als Babylon erzählen.

Doch Grafs Fabian (Hauptdarsteller Tom Schilling wie auf den Leib geschneidert) erinnert allenfalls in den stampfenden, lasziven, lebensgeballten Nächten an das Babylon der 1930er Jahre. Graf gräbt tiefer. Und liefert noch ganz andere Bilder und Geschichten.

Er zeigt den Werbetexter Dr. Jakob Fabian, der bald schon arbeitslos, sich durch die Berliner Nächte treiben lässt. Und eine Liebesgeschichte erlebt, die den Zuschauer verzaubert – deren Rausch aber nicht lange anhält. Die Geliebte (Saskia Rosendahl) entscheidet sich für die vermeintliche Karriere als Schauspielerin. Fabians Lebensfreund Labude (Albrecht Schuch), Lessing-Forscher und Klassenfeind, aus reichem Hause doch an sich verzweifelnd, verlässt ihn schließlich ebenfalls. Stabilität bieten allenfalls die Eltern (Petra Kalkutschke und Elmar Gutmann).

Unser Fazit: „Fabian“, auf der Berlinale 2021 uraufgeführt, nimmt uns mit in den Strudel der 1930er. Er lässt uns die Abgründe ahnen, die sich in diesen Jahren auftun, zeigt aber zugleich, dass auch die Liebe sie nicht stoppen kann. Dennoch ist der Film nicht pessimistisch oder niederdrückend sondern vielmehr prall voll Leben. Und auch deshalb so zeitgemäß.

Gaza mon amour

Leben im Gazastreifen – bei Vielen weckt das Assoziationen, die vor allem um Lagerleben und Einschränkungen kreisen. Doch haben auch die Menschen dort einen Alltag, Wünsche, Träume. Und die handeln nicht nur vom Ausreisen nach Europa sondern auch von der Liebe.

Der Fischer Issa, nicht mehr der Jüngste und im Grunde mit sich selbst und seinem Leben zufrieden, hegt den Plan, zu heiraten. Die richtige Kandidatin dazu hat er schon ins Auge gefasst. Allein – die Umstände machen die Brautwerbung nicht wirklich einfach. Da ist seine resolute Schwester, die kurzerhand verschiedene Bewerberinnen unter die Lupe nimmt. Da ist aber auch der Staat, das alltägliche Leben im Lager, das Verhalten von Militär und Polizei, die den kleinen Fischer ihre Allmacht spüren lassen.

Der aber verliert dadurch keineswegs seine Lebenslust. Auch dann nicht, als er buchstäblich noch einen „guten Fang“ macht, der sein Leben zusätzlich durcheinanderwirbelt.

Unser Fazit: Issas Lebenslust, seine Beharrlichkeit, der Liebe eine Chance zu geben machen den ebenso subtilen wie komischen Film „Gaza mon amour“ der beiden Palästinensischen Regisseure, der Brüder Arab und Tarzan Nasser, zu einem Muss in diesem Kinosommer. Gehen Sie rein – und kommen Sie beschwingt raus aus dem Kino!

Nebenan

Gentrifizierung ist mittlerweile in vielen Großstädten das Stichwort der Stunde. Erfolgreiche, gut betuchte Neubewohner verdrängen die alteingesessene Bevölkerung. Entmietung, Modernisierung, explodierende Mietpreise sind an der Tagesordnung. Und Berlin ist davon besonders betroffen.

Genau hier setzt Daniel Brühl in seinem Regiedebüt an. In „Nebenan“ prallt ein international erfolgreicher Schauspieler (gespielt von Brühl selbst) auf einen seiner Nachbarn (der famose Peter Kurth), Ureinwohner in Prenzlauer Berg, einem von der Gentrifizierung längst überrollten Berliner Kiez. Den Clash beider Welten (und Personen) inszeniert Brühl überwiegend als Kammerspiel: Leise schleichen sich die Zwischentöne ein, die Handlung der Tragikomödie mutiert allmählich zum Thriller in dem der Zuschauer sich fragt, wo das alles enden soll. Zugleich streut der Film eine gute Prise Humor ins Geschehen und natürlich jede Menge Berliner Lokalkolorit.

Unser Fazit: Trotz mancher Schwächen des Films (uraufgeführt bei der diesjährigen Berlinale) macht es enorm Spaß, den Protagonisten zuzusehen – nicht zuletzt dem famosen Peter Kurth. Er brilliert durch ein ebenso körperlich wie verletzlich angelegtes Spiel und zeigt seinem eleganten und auch arroganten Nachbarn genüsslich dessen Grenzen. Daniel Brühl setzt damit ein Denkmal für alle, die die Gentrifizierung ebenso getroffen hat wie den undurchsichtigen Nachbarn aus dem fünften Stock gegenüber.

@Foto: kangi