Die Tage werden kürzer, die Abende kälter. Ideale Voraussetzungen also, um wieder verstärkt ins Kino zu gehen. In jedem Fall lockt eine Fülle toller Filme! Darunter brandneue Streifen aber auch solche, die schon eine Weile über die Leinwand flimmern. Und sehenswert sind. Hier drei Tipps fürs kommende Wochenende – und darüber hinaus.
Promising young woman
Nein, wir verraten nicht zuviel, nur das: Eine der schönsten Szenen dieses Films (oscarprämiert für das beste Originaldrehbuch, gefeiert auf dem Sundance Film Festival) spielt in einem britischen Drugstore. Megapink ausgeleuchtete Arzneimittelregale in Lolypoppfarben, ein ausgelassen tanzendes junges Pärchen – und im Hintergrund, quasi hinter dem HV-Tisch, mit strengem Blick und im weißen Kittel, Apotheker und Apothekerin.
Ein Branchenfilm für die Apotheke ist „Promising young woman“ trotzdem nicht. Vielmehr erzählt Regisseurin Emerald Fennell die Geschichte von Cassandra oder kurz Cassie (fabelhaft: Carey Mulligan). Die langweilt sich tagsüber im Coffeeshop, bei Nacht aber führt sie, schön, klug und gerissen ein Doppelleben: Abend für Abend besucht sie Bars und Clubs um sich an Männern zu rächen, die sich an hilflosen Frauen vergehen. Das lässt über ihre Motive rätseln; zugleich jedoch macht es sehr viel Spaß, ihr dabei zuzusehen. Zumal (siehe Drugstore) der Film farbenfroh und mit hipper Musik daherkommt.
Bis Cassie plötzlich DIE Gelegenheit hat: endlich ihr Trauma, das sie durch die gewalttätigen Nächte treibt, anzupacken – und mit Pauken und Trompeten Rache zu üben für das, was sie so lange mit sich rumträgt. Auch das übrigens ist hübsch anzusehen …
Fazit: Beste Unterhaltung für alle mit einem Faible für dunkelschwarze Thriller-Comedy, die im bonbonfarbenen Kleid daherkommt – aber nichts für allzu zart Besaitete.
The Father
Wie ist das, wenn die Demenz nach dem Menschen greift? Wie geht es ihm damit, wie fühlt er sich, wie kommt er dann noch zurecht mit seiner Umwelt und in seinem Leben? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Künstler schon lange, man denke nur an Martin Suter und seinen Roman „Small world“ oder den Film „Still Alice“, in dem Julian Moore – auch sie oscarprämiert – vor einigen Jahren gezeigt hat wie das ist, wenn plötzlich die Diagnose Alzheimer im Raum steht.
„The Father“ bringt das jetzt noch sehr viel stärker und eindringlicher auf den Punkt. Der 83-jährige britische Schauspieler Anthony Hopkins erhielt in diesem Jahr völlig zu Recht einen Oscar als bester Hauptdarsteller dieses Demenzdramas.
Die Story war eigentlich ein Theaterstück, Regisseur Florian Zeller bringt es als Kammerspiel auf die Leinwand: Ein alter Mann lebt gut situiert und von seiner Tochter (die ebenfalls großartige Olivia Colman) umsorgt relativ eigenständig in einer repräsentativen Wohnung. Alles ist vermeintlich gut geordnet. Doch dann zeigen sich Risse, Unstimmigkeiten, bedrohliche Situationen.
Was zunächst fast wie ein Krimi anmutet, zeigt das Leben aus Sicht des Demenzkranken. Das Nicht-mehr-verstehen-können der Situation, nicht mehr wissen, was nun eigentlich stimmt, das Zurechtkommen mit vermeintlich vielen Realitäten, das zunehmende Misstrauen allem und allen gegenüber, Ängste, Zorn.
Das fordert die Zuschauer. Vor allem aber fasziniert es. Denn wir stecken auf einmal mitten drin in dieser Verwandlung, die die Krankheit provoziert. Und bekommen eine Ahnung davon wie es sein kann, wenn das Denken zerfällt, das Leben wegdriftet, die Bedeutung der alltäglichen Dinge sich radikal ändert und welche Verwirrung, welche Ängste das auslöst.
Fazit: Faszinierend – wegen der Story, der Umsetzung und nicht zuletzt wegen der hervorragenden Darsteller. Und: ein Film passend zum Welt-Alzheimertag am 21. September.
Beckenrand Sheriff
Ein mehr als miesepetriger Schwimmmeister, gebürtiger Berliner obendrein, regiert mit harter Hand in einem in die Jahre gekommenen Freibad in der Bayerischen Provinz. Diese Szenerie alleine schafft schon eine beträchtliche Fallhöhe. Wenn man sich dann noch den Berliner Prachtschauspieler Milan Peschel als Schwimmmeister mit unbedingter Berufsehre vorstellt (ja, Schwimm- und bloß nicht Bademeister!) und die großartige Bayerin Gisela Schneeberger als umtriebige Provinzbürgermeisterin lässt sich erahnen, dass diese Fallhöhe mindestens Sprungturmqualität hat.
Die Story, die Regisseur Marcus H. Rosenmüller (bekannt geworden vor allem durch „Wer früher stirbt ist länger tot“) erzählt, ist zwar einigermaßen verworren (das Bad soll gerettet werden, ebenso ein Asylbewerber und die Reputation einer vermeintlich gedopten Schwimmerin). Doch wie er das erzählt, treibt nicht wenigen Zuschauern die (Lach-)tränen in die Augen.
Er habe, so erzählt der Regisseur, schon immer mal eine Hommage an Luis de Funès drehen wollen, den großen französischen Schauspieler und Komiker. Mit Milan Peschel hat er die ideale Besetzung gefunden. Der slapstickt sich durch den Film, dass es eine wahre Freude ist – und hält als Wirbelwind mit Herz nicht nur die Story am Laufen sondern auch seine genialen Mitstreiter mega auf Trab.
Fazit: auch für Nicht-Bayern ein Kinobesuch zum Freuen und Ablachen.
@Foto: kangi