Wer es nicht auf die diesjährige Berlinale geschafft hat, kann auch im heimischen Kino Festival-Luft schnuppern. Denn einige der Streifen, die im vergangenen Februar auf den 73. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gezeigt wurden, laufen bereits in den Lichtspielhäusern. Wir haben auch in diesem Jahr das Hauptstadt-Festival besucht und geben aktuelle Filmtipps – auch fürs kommende Wochenende.
Filmfestivals können ganz schön elitär sein. Viele der Streifen, die dort gezeigt werden, finden trotz ihrer Qualität keinen Weg in die „regulären“ Kinos. Bei der Berlinale, die sich ganz zurecht als großes Publikumsfestival versteht, hat sich dies in den vergangenen Jahren spürbar geändert: Etliche der dort präsentierten Uraufführungen starten kurz danach auch in den deutschen Kinos.
Das hilft Filmschaffenden und Zuschauern: Die Filme nehmen den Festivalschwung mit und sind präsent in den Köpfen der Kinogänger. Und die wiederum haben auch weit weg von der Hauptstadt die Möglichkeit, nah dran zu sein an den Berlinale-Neuheiten.
Was läuft?
Wie in jedem Jahr haben wir uns auch diesmal auf dem großen Publikumsfestival umgesehen, das vom 16. bis 26. Februar in Berlin stattfand. Und Filme aus aller Herren Länder entdeckt, Fiktion wie Dokumentarfilme, Ausgefallenes und mehr dem Mainstream zugewandtes. Daraus die ersten Tipps: Filme, die schon jetzt bzw. zeitnah im Kino laufen.
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Der kleine Josse wächst als Sohn eines Psychiatriedirektors auf dem Klinikgelände der größten Kinder- und Jugendpsychiatrie Schleswig-Holsteins auf. Zusammen mit zwei Brüdern und einer ganzen Reihe von Patienten – in einer Welt, in der Geborgenheit und Schicksalsschläge nebeneinanderstehen, Humor und Melancholie gleichermaßen ihren Platz haben. Mit großer Empathie und viel Sinn für den Moment hat Regisseurin Sonja Heiss den autobiographischen Bestseller von Joachim Meyerhoff verfilmt. In „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ gelingt es Heiss, den trockenen Humor und die Melancholie des Textes ins Filmische zu übersetzen.
Joachim Meyerhoff – Burgschauspieler und jetzt an der Schaubühne Berlin engagiert – hatte mit „Alle Toten fliegen hoch“ seine Bestsellerreihe begründet. Und mit seinen insgesamt fünf Büchern Leserinnen und Leser zuhauf mitgenommen in seine Kindheit und Jugend, in seinen Werdegang als Schauspieler und ließ sie auch an vielen Schicksalsschläge, die ihn ereilten, teilnehmen.
Unser Fazit: Ein Film, der dem Ton der Bücher gerecht wird. Und in dem nicht nur Geschichte und Ausstattung begeistern sondern auch die wunderbaren Schauspieler.
Die Fabelmans
Er ist einer der ganz Großen in Hollywood: Steven Spielberg. Ob „ET“ oder Der weiße Hai“, „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“ oder „Schindlers Liste“, um nur einige seiner bekanntesten Filme aufzuzählen. 2023 hat Spielberg den goldenen Ehrenbären der Berlinale erhalten. Und präsentierte in diesem Rahmen sein neuestes Werk: „Die Fabelmans“. Spielberg erzählt darin eine bunte Familiengeschichte und seinen – eigenen? phantasievoll ausgeschmückten? geschönten? wer weiß das schon – Weg zum erfolgreichen Regisseur.
Dieser Weg beginnt für den kleinen Sammy gleich bei seinem ersten Besuch eines Lichtspielhauses: Dort packt ihn die Wucht des Kinos, der gezündete Funke entfacht eine nie endende Begeisterung für Filme und das Filmen. Die lebt der Junge zunächst mit der Super-8-Kamera des Vaters aus, unterstützt von seiner freigeistigen Künstlermutter. Schon bald aber nimmt er größere Ziele ins Visier. Und schließlich sehen wir Sammy als Teenager zwischen den großen alten Studiohallen Hollywoods. Was dann folgte: Kinofans wissen es – und wissen es zu schätzen.
Unser Fazit: Sehenswertes großes Kino – insbesondere für Spielberg-Fans.
Sisi & Ich
Schon wieder Sissi? Nein, nicht schon wieder. Sondern endlich: Sisi, korrekt mit einem s, und jenseits der Romy-Schneider-Romantik-Kitsch-Filme, die der „jungen Kaiserin“ ein Bild zuschrieben, das nur in Ansätzen der Wahrheit entsprach. Ob „Sisi & Ich“ in jedem Fall der Wahrheit entspricht – wer weiß. Der äußerst unterhaltsame Film von Regisseurin Frauke Finsterwalder wirft in jedem Fall einen völlig neuen Blick auf den Sisi-Mythos. Frisch, modern, unverkrampft zeigt die Tragikomödie die letzten Lebensjahre der Kaiserin – aus dem Blickwinkel ihrer letzten Hofdame Irma.
Irma ist fasziniert von der außergewöhnlichen Frau, die fernab von Wien moderne Ideen teilt. Und die Kaiserin nimmt Irma mit auf Reisen, etwa nach Korfu, und lässt sie durchaus hinein in ihr Leben. Das so frei dann auch nicht ist: Der österreichische Hof mit seinem strengen Zeremoniell hat lange Arme.
Der Film den Frauke Finsterwalder zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Christian Kracht geschrieben hat, feierte auf der Berlinale seine Premiere und läuft ab 30. März im Kino.
Unser Fazit: Die Tragikomödie glänzt nicht nur mit einer phantastischen Geschichte und prächtiger Ausstattung. Auch die gut aufgelegten, hervorragenden Schauspieler machen Freude beim Zusehen!
Sorry Genosse
Heinz und Hedi, er aus dem Westen, sie aus dem Osten, treffen sich erstmals bei einer Familienfeier in Thüringen, es ist das Jahr 1969. Sie verlieben sich, schreiben Briefe, er reist regelmäßig in den Osten. Und irgendwann entsteht die Idee zur Flucht. Aber was für eine! Der Plan ist ebenso verwegen wie dilettantisch – und er ist so abgefahren und mit Zufällen und Unwägbarkeiten gespickt, dass er letztlich … funktioniert.
Die junge Filmemacherin Vera Brückner beschreibt in ihrer Dokumentation „Sorry Genosse“ ein deutsch-deutsches Schicksal zu Zeiten des kalten Krieges. Und das so einfühlsam wie fesselnd und unterhaltend. Der Film wurde bereits 2022 zur Berlinale eingeladen; jetzt läuft die sehenswerte Doku in den Kinos.
Unser Fazit: Mit angehaltenem Atem sieht man diesen Film, der weit mehr ist als eine deutsch-deutsche Lovestory. Vera Brückner wirft darin auch einen frischen, anderen Blick auf die deutsch-deutsche Geschichte.
Foto: @kangi