Verärgerte Kunden: So lässt sich vorbeugen

Vor einem roten Herzen stehen gelbe und weiße Mensch-ärgere-dich-nicht-Männchen. Sie sind ein Symbol für Kunden - das Herz steht für die Kundenbindung von Apotheken gegenüber ihren Kunden.

Wer das Herz der Kunden gewinnt, hat gute Chancen, Kundenärger gut zu managen.

„Schlechte Beratung“, „hier kaufe ich nie wieder“ oder „Geschäft meiden“ – drei Beispiele für negative Kommentare bei Online-Bewertungen. Die Sozialen Medien haben die Möglichkeiten, dass die Kundschaft ihrer Empörung Luft macht, erhöht und beschleunigt. Mit fatalen Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen. Was lässt sich im Vorfeld tun, um verärgerte Kunden zu vermeiden? Ein Beitrag von Gastautor Thomas Stoklossa.

Geht es um das Kundenempfinden spielt vor allem ein Faktor eine wichtige Rolle: der Mensch! So ergab eine Studie der Marketingberatung ESCH, dass in 70 Prozent der frustrierenden Kundenerlebnisse stets Mitarbeiter involviert waren.

Neue Medien stärken die Kunden

Mit der Digitalisierung haben sich die Mittel der Kunden, sich zu beschweren und ihrem Ärger Luft zu machen, deutlich erweitert. „Das Reh hat jetzt die Flinte in der Hand“ charakterisiert die Buchautorin Anne M. Schüller die heutige Situation. Und tatsächlich haben verärgerte Kunden viele Möglichkeiten sich öffentlichkeitswirksam zu beschweren. In nahezu jedem Shop können Produkte bewertet und kommentiert werden.

Auch Unternehmen sind davor nicht gefeit: Wer auf Google den Namen eines Unternehmens sucht, erhält konkrete Erfahrungsberichte zu Restaurants, Hotels, Handwerkern und Firmen. Eine Bewertung mit vier und mehr Sternen verheißt eine hohe Reputation, die sich geschäftsfördernd auswirkt. Wer weniger Sterne hat, wird schnell mit weniger Abschlüssen abgestraft. Und hier hat schon der leiseste Zweifel seine Auswirkung.

Vielleicht kennen Sie das Verhalten bei sich selbst: Beim Kauf eines Produkts werfen Sie einen Blick auf die Sterne und in die Kundenrezensionen. Obwohl es viele positive Meinungen gibt, finden sich auch zahlreichte schlechte Bewertungen. Kaufen Sie trotzdem? Oder suchen Sie lieber ein anderes Produkt oder einen anderen Anbieter, die besser bewertet wurden?

Verärgerte Kunden – die Lust auf Rache

Der US-Psychologe Dan Ariely untersuchte in mehreren Experimenten die Lust von Kunden auf Rache, wie er es nannte. Dazu wurden Gäste in einem Café gefragt, ob sie an einem Test mitmachen wollen. Für die Teilnahme erhielten sie fünf Dollar. Es gab zwei Gruppen: Eine, die ganz normal behandelt wurde, und eine zweite, bei der der Versuchsleiter während der Auszahlung einen fiktiven Anruf auf seinem Handy entgegennahm und das unkommentiert lies. Allen Teilnehmern wurden „versehentlich“ mehr als die vereinbarten fünf Dollar ausgezahlt.

Die spannende Frage lautete: Hat das Verhalten des Testleiters in der zweiten Gruppe darauf einen Einfluss? Das Ergebnis des Experiments war folgendes:

  • Gruppe (normal behandelt): 45 Prozent gaben die überzähligen Scheine zurück.
  • Gruppe (mit Telefonat): Nur 14 Prozent gaben das zuviel bezahlte Geld zurück!

Erschreckend ist, welchen Einfluss ein einfaches Telefonat von zwölf Sekunden auf die Gefühle der Teilnehmer hatte! Außerdem ließen sich zwei weitere interessante Erkenntnisse ableiten: Die Höhe des zuviel ausbezahlten Betrags hatte kaum Einfluss auf die Entscheidung der Probanden, d. h. es war irrelevant, ob die Teilnehmer sechs, sieben oder neun Dollar erhielten. Auch die Stellung des Versuchsleiters spielte keine Rolle bei der Rache, d. h. ob er sich als der Verantwortliche für den Test oder nur als Mitarbeiter zu erkennen gab.

Diese beiden Punkte sollten wichtige Alarmsignale für alle Unternehmen sein! Die Reaktion auf eine schlechte Behandlung war im Experiment gleich intensiv, d. h. bei der Revanche gab es keine Abstufungen. Genauso wenig unterscheiden Kunden, wer ihnen das angetan hat. Wie ein wildgewordener Stier wird das Unternehmen attackiert, auch wenn die schlechte Erfahrung von nur einem einzelnen Mitarbeiter verursacht wurde.

Wichtig sind erster und letzter Eindruck

Nun könnte man sagen, dass ein kleines Zimmer oder ein defekter Lift nicht so dramatisch und solche Reaktionen überzogen sind. Bei einem Blick auf den einzelnen Touchpoint stimmt das. Das Problem ist jedoch, dass Kunden nicht arbeitsteilig denken und deshalb die Customer Journey insgesamt am Ende bewertet wird.

Besonders entscheidend sind dabei zwei Punkte: Der erste und der letzte Eindruck! Wenn der erste Eindruck schon mit einem negativen Erlebnis beginnt, werden danach mehrere positive benötigt, um diesen Eindruck auszugleichen.

Eine Entschuldigung wirkt Wunder

Wie können Unternehmen solche Situationen vermeiden? Dan Ariely hatte nach seinem Experiment zwei einfache Antworten darauf: Entweder genügend Zeit vergehen lassen oder sich entschuldigen. Den ersten Fall kennen wir alle aus dem Straßenverkehr: Wir werden von einem Rowdy abgedrängt und fast in einen Unfall verwickelt. Verärgert merken wir uns das Kennzeichen, um ihn anzuzeigen. Doch das passiert in der Realität in den seltensten Fällen.

Bei Unternehmen ist das anders: Hier behalten wir uns den Vorfall im Hinterkopf und werden dort nur noch selten oder gar nicht mehr kaufen. In jedem Fall erzählen wir Freunden von unseren Erlebnissen! Das Fazit: verärgerte Kunden wandern ab.

Der zweite Weg, nämlich die Entschuldigung, wirkt Wunder! Hier konnte Ariely nachweisen, dass eine Entschuldigung für das Verhalten gleiche Ergebnisse erzielt, wie wenn die Gäste normal behandelt wurden.

Fünf Tipps gegen verärgerte Kunden

Der beste Ärger ist der, der gar nicht erst entsteht! Das erfordert vorausschauendes Handeln. Die folgenden fünf Punkte helfen dabei, als Unternehmen zum „Kundenherzgewinner“ zu werden:

  • Finden und leben Sie das WHY Ihres Unternehmens: Ein klares „Warum?“ oder „Wofür tun wir etwas?“ gibt den Mitarbeitern die Leitlinie für ihr Verhalten – und das in jeder Situation!
  • Erstellen und optimieren Sie die Customer Journey: Die sog. „Kundenreise“ hilft Ihnen zu verstehen, welche Berührungspunkte der Kunde bzw. Gast bei Ihnen hat und ob diese zu positiven oder negativen Erlebnissen führen.
  • Optimieren Sie laufend die Touchpoints: Überprüfen Sie jeden einzelnen Kontaktpunkt hinsichtlich seiner Wirkung. Stellen Sie bekannte negative Erlebnisse an den Touchpoints so schnell wie möglich ab und arbeiten daran, laufend positive Erlebnisse zu generieren. Denken Sie dabei auch an versteckte Touchpoints, wie z. B. den defekten Lift oder ein unsauberes Treppenhaus. Diese haben, wie oben gezeigt, eine enorme Auswirkung!
  • Holen Sie aktiv Feedback bei Ihren Kunden bzw. Gästen ein: Feedback ist eine kostenlose Unternehmensberatung! Warten Sie dabei nicht bis zum Schluss, sondern erkundigen sich an einzelnen Touchpoints nach der Erfahrung und der Bewertung der Kunden!
  • Sorgen Sie mit einem Kundenbegeisterungsprogramm (oder Kundenbindungsprogramm) dafür, dass die Emotionen noch lange nachwirken und Sie so bei der nächsten Kaufentscheidung wieder in der Poleposition bzw. der präferierte Anbieter sind!

Der Autor Thomas Stoklossa begleitet als Managementberater seit zwanzig Jahren viele Vertriebs- und Kundenbindungsprojekte. Dem Thema „Kundenbegeisterung“ widmet er sich ausführlich in seinem Buch „Die Kundenherzgewinner – Begeisterungsstrategien für eine langfristige Kundenbindung“, Verlag BusinessVillage, 2021.

Die Informationen zu dem Buch sowie den Kontakt zum Autor hat uns freundlicherweise der Verlag BusinessVillage vermittelt.

Fotos: @kangi